Wissenschafts- und Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (M.) mit der Preisträgerin und den Preisträgern der Forschungspreise 2020 (v.l.): Georg Tiefengraber, Joseph Marko, Birgit Wassermann, Didac Carmona-Gutierrez.
(Foto: © Fischer)
Wissenschafts- und Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl verlieh heute in der Aula der Alten Universität in Graz die Forschungspreise des Landes Steiermark für das Jahr 2020. Der Erzherzog-Johann-Forschungspreis, der Forschungspreis und der Förderungspreis für Wissenschaft und Forschung sind mit jeweils 12.000 Euro dotiert und werden jedes Jahr für herausragende Leistungen im Bereich der Wissenschaft und Forschung vergeben. Der Förderungspreis wurde diesmal geteilt und für zwei Arbeiten vergeben (je 6.000 Euro).

„Mit den Forschungspreisen holen wir herausragende Leistungen von Forscherinnen und Forschern an steirischen Hochschulen und Institutionen vor den Vorhang. Damit wollen wir diese Leistungen einerseits entsprechend würdigen und andererseits den Menschen in unserem Land die Bedeutung von Forschung für unser Leben bewusst machen. Die ausgezeichneten Arbeiten zeigen einmal mehr die unglaubliche Vielfalt der steirischen Forschungslandschaft“, so Landesrätin Eibinger-Miedl.

Der Erzherzog-Johann-Forschungspreis wurde an Georg Tiefengraber vom Institut für südostalpine Bronze- und Eisenzeitforschung ISBE an der Karl-Franzens-Universität Graz verliehen. Joseph Marko vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität wurde mit dem Forschungspreis ausgezeichnet. Den Förderungspreis teilen sich Didac Carmona-Gutierrez vom Institut für Molekulare Biowissenschaften an der Karl-Franzens-Universität und Birgit Wassermann vom Institut für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz.

 

Erzherzog-Johann-Forschungspreis 2020:

Georg Tiefengraber vom Institut für südostalpine Bronze- und Eisenzeitforschung ISBE an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Arbeit:

„Der Wildoner Schlossberg. Die Ausgrabungen des Landesmuseums Joanneum 1985-1988.“

Der Wildoner Schlossberg stellt eine schon von weitem sichtbare, markante Erhebung am Übergang vom Grazer Becken ins Leibnitzer Feld unmittelbar oberhalb der Mur dar. Das heutige Erscheinungsbild des Schlossberges wird durch die Ruinen der mittelalterlichen Burgen Alt-Wildon, Neu- bzw. Ober-Wildon, dem Haus Ful und dem Haus Hengst geprägt, die das einstmalige Aussehen des Berges erheblich veränderten. Langjährige Ausgrabungen des seinerzeitigen Landesmuseums Joanneum erbrachten den Nachweis einer intensiven urgeschichtlichen Besiedlung des Berges. Im Zuge eines FWF-Projektes (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) war es Tiefengraber in den Jahren 2007-2009 möglich die enorme Fundmasse, immerhin über 2 Tonnen Fundgut aus Keramik, Knochen und Stein bzw. Metall, zu sichten, zu dokumentieren und kontextuell im Zusammenhang mit den komplexen Ausgrabungsbefunden auszuwerten sowie in einen überregionalen Kontext zu stellen. Insgesamt konnte eine fast lückenlose Besiedlung vom Mittelneolithikum (ca. 4600 v. Chr.) bis in die frühe Neuzeit (16./17. Jh. n. Chr.) anhand der Befunde und Funde belegt werden, wobei insbesondere die neolithischen, kupfer- und frühbronzezeitlichen Phasen herausragen, da sie bislang in der Steiermark – und z.T. auch darüber hinaus – noch nicht ausreichend belegt waren. Mit der Vorlage frühmittelalterlicher Keramikfunde wird auch ein klarer Hinweis auf die nun wohl eindeutige Lage der langgesuchten und vieldiskutierten Hengistburg gegeben.

 

Forschungspreis des Landes Steiermark 2020:

Joseph Marko vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Arbeit:

„Human and Minority Rights Protection by Multiple Diversity Governance. History, Law, Ideology and Politics in European Perspective, 2019 (Routledge)“

Dieses Buch ist das Ergebnis von 25 Jahren Forschung und Praxis als Universitätslehrer sowie Rechts- und Politikberater für den Europarat, die OSZE, die EU und die Vereinten Nationen, aber auch als internationaler Richter beim Wiederaufbau des Verfassungsgerichtshofs von Bosnien und Herzegowina nach Beendigung des Krieges 1995. Wie in einem Brennglas waren und sind am Beispiel der jüngsten Geschichte Bosniens, aber nicht nur dieser, alle Probleme des Umgangs von Menschen untereinander fokussiert. Die täglichen Fernsehbilder zur sogenannten Flüchtlingskrise der Europäischen Union 2015, die ja, wie die Ereignisse in Griechenland zeigen, bis heute andauert, der Austritt Großbritanniens aus der EU und die mögliche Sezession von Schottland, aber auch Kataloniens von Spanien und nicht zuletzt auch die von den USA ausgehende, mittlerweile globale „Black Lives Matter“-Bewegung zeigen vielfältige Prozesse der ethnischen und nationalen Polarisierung von so genannten „westlichen“ Gesellschaften bis hin zur staatlichen Desintegration. In diesem Buch werden daher anhand der historischen Entwicklung der europäischen Nationalstaaten unter Berücksichtigung der langfristigen Wirkungen der Ideologien des Liberalismus, Nationalismus und Rassismus alle diese gesellschaftspolitischen Herausforderungen interdisziplinär rechtlich, politisch und soziologisch kritisch analysiert. Mit den Grundbegriffen von Autonomie, Subsidiarität und Integration wird aber auch ein alternatives rechtlich-institutionelles Modell vorgestellt, wie den in Europa und Nordamerika stattfindenden, sich überlappenden und gegenseitig verstärkenden, daher multiplen sozialen, ökonomischen und politischen Prozessen der Beseitigung von kulturellem und politischem Pluralismus entgegengewirkt werden kann.

 

Förderungspreis des Landes Steiermark 2020:

Didac Carmona-Gutierrez vom Institut für Molekulare Biowissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz für die Arbeit:

„The flavonoid 4,4´-dimethoxychalcone promotes autophagy-dependent longevity across species“

Die Lebenserwartung nimmt seit Jahrzehnten weltweit kontinuierlich zu. Mit unserer alternden Gesellschaft steigen jedoch auch die Fälle chronischer Krankheiten (z.B. Neurodegeneration oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) rasant an. Jeder von uns möchte natürlich alt werden – aber wie bleiben wir dabei gesund? Eine grundlegende Strategie ist es, die sog. Autophagie in den Zellen anzuschalten. Bei diesem Aufräumprozess werden geschädigte Zellbestandteile abgebaut und zu neuen molekularen Einzelbausteinen “recycelt”. Mit zunehmendem Alter nimmt diese Aktivität ab, und „Zellmüll“ häuft sich an, was maßgeblich zur Entstehung altersbedingter Krankheiten beiträgt. Regelmäßiges Fasten kann die Aktivität der Autophagie erhöhen und somit als Schutz gegen diese Krankheiten wirken. Allerdings ist Fasten nicht für alle Personengruppen durchführbar. Deshalb wird intensiv nach Wirkstoffen gesucht, die diese Fasteneffekte nachahmen können – bis jetzt sind nur wenige Kandidaten bekannt. In der prämierten Studie hat ein von der Universität Graz geleitetes internationales Team eine neue Natursubstanz (4,4‘-Dimethoxychalkon, kurz DMC) mit diesem Potential entdeckt. Eine Behandlung mit DMC erhöhte die Autophagieraten in verschiedenen Organismen, einschließlich Säugetieren, bedeutend. Diese Erhöhung führte zu einer gesunden Lebensverlängerung in Hefe, Würmern, Fliegen und humanen Zellkulturen. Zudem schützte DMC auch das Herzgewebe von Mäusen nach einer Myokardischämie (verminderte Blutversorgung des Herzmuskels, die letztlich zum Herzinfarkt führt). Die Autoren konnten darüber hinaus DMC in einer Pflanze nachweisen, die unter dem japanischen Namen Ashitaba bekannt ist und in der traditionellen asiatischen Volksmedizin mit Langlebigkeit in Verbindung gesetzt wird. Zusammengefasst eröffnen diese Forschungsergebnisse neue pharmakologische Perspektiven für gesundes Altern.

 

Birgit Wassermann vom Institut für Umweltbiotechnologie an der Technischen Universität Graz für die Arbeit:

„An Apple a Day: Which Bacteria Do We Eat With Organic and Conventional Apples?“

„An apple a day keeps the doctor away“ – ist ein altes englisches Sprichwort, welches darüber hinaus im deutschen Sprachraum verbreitet ist. In der vorliegenden Arbeit wurde ein neuer Faktor aufgedeckt, der das empirische Sprichwort vollauf bestätigt: mit jedem Apfel essen wir ungefähr 100 Millionen Mikroorganismen. Neben Vitaminen und anderen wichtigen Inhaltsstoffen, ist das Mikrobiom gesund und interagiert mit unserem Immun- und Darmsystem. Jeder untersuchte Apfel beherbergt die gleiche Anzahl an Bakterien, allerdings ist die Zusammensetzung der ca. 1700 Bakterienarten zwischen biologisch und konventionell gezüchteten Äpfeln völlig unterschiedlich. Die Untersuchungen ergaben auch überraschenden Details: entgegen unserer Erwartungen weist die Apfelschale die geringste Anzahl an Bakterien auf, während das Kerngehäuse tatsächlich ein Bakterien-Hotspot ist. Diese Studie zum Apfelmikrobiom wurde mithilfe von neuesten Technologien an steirischen Äpfeln durchgeführt, um gemeinsam mit Grazer Schülern neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen und ihnen die Welt der Mikrobiome näher zu bringen. Die weltweite Resonanz auf die Erkenntnisse (Top 80 der wissenschaftlichen Publikationen im Jahr 2019 weltweit), und deren populärwissenschaftliche Wiedergabe in Zeitschriften (The Guardian, The Time Magazine, Forbes, Der Spiegel, Kurier, Die Zeit etc.), Fernsehen und sozialen Medien, zeigt darüber hinaus die gesellschaftliche Relevanz dieses Themas und einen Paradigmenwechsel zur Berücksichtigung der bakteriellen Diversität als unverzichtbaren Bestandteil des Lebens auf der Erde.